Nach dem Tod des 41-jährigen Sezgin Dağ, der bis zu seinem Tod im November im Bundesasylzentrum in Lyss untergebracht war, werden die Behörden beschuldigt, falsch gehandelt zu haben. Das SEM weist die Vorwürfe zurück, bei der Staatsanwaltschaft liegt die Akte aber noch offen.
Am Montagnachmittag kam es vor dem Hauptgebäude des Staatssekretariats für Migration (SEM) in Wabern bei Bern zu einer Versammlung einer Gruppe Trauernder. Mit Kerzen, Fahnen und Plakaten machten die rund 30 anwesenden Personen gemeinsam auf einen noch ungeklärten Todesfall, der sich vor wenigen Wochen in einem Taxi in Lyss BE ereignete, aufmerksam.
Gemeinsam forderten die Anwesenden die Behörden auf, den Tod ihres Bruders, Freundes und Bekannten – Sezgin Dağ (41) – restlos aufzuklären. Und vor allem auch «die Verantwortlichen vor dem Gesetz zur Rechenschaft zu ziehen».
Für die Hinterbliebenen ist nämlich klar: Der 41-Jährige, der als Asylsuchender im Bundesasylzentrum in Lyss untergebracht gewesen war, hätte in der Nacht auf den 13. November eigentlich nicht sterben müssen. «Wir haben ernsthafte Zweifel, ob Sezgin eine angemessene medizinische Versorgung für seinen sensiblen Gesundheitszustand erhalten hat», sagen seine Angehörigen und deren Unterstützer gegenüber 20 Minuten.
Doch was ist in den Stunden vor dem Tod passiert? Sowohl die Angehörigen wie auch das SEM bestätigen, dass Sezgin Dağ am Vortag wegen gesundheitlicher Probleme das Spital Aarberg aufgesucht hatte. Dağ, der seit 2015 aufgrund eines IS-Bombenanschlages in der Türkei Splitterstücke im Körper hatte, klagte über Taubheitsgefühle in Arm und Kiefer, über Sodbrennen und Hals- und Bauchschmerzen.
Vorwurf: Das Taxi gerufen, statt die Ambulanz alarmiert
«Die Diagnose des behandelnden Arztes lautete Magenverstimmung und Herzrhythmusstörungen wegen des zuvor getrunkenen Energiegetränkes», teilen Dağs Angehörige jetzt mit. Man habe ihm deswegen ein Dafalgan verschrieben und ihn wieder zurück ins Asylzentrum geschickt. Auch das SEM bestätigt, dass Sezgin Dağ noch gleichentags ins Asylzentrum nach Lyss zurückkehrte. «Während der Nacht wurde Meldung gemacht, dass der Bewohner erneut gesundheitliche Probleme habe», rapportiert SEM-Sprecherin Emmanuelle Jaquet von Sury. «Daraufhin wurde ein erneuter Spital-Transport organisiert», so die Sprecherin weiter.
Von einem «Spital-Transport» könne hier nicht wirklich die Rede sein, kritisieren die Hinterbliebenen: «In dieser kritischen und lebensbedrohlichen Situation bestellte der verantwortliche Mitarbeiter des Asylzentrums ein Taxi anstatt eines Krankenwagens.» Alleine hätte man ihn so zurück ins Spital geschickt. Im Spital kam der 41-Jährige aber nie an: Noch während der Fahrt, um circa 0.20 Uhr, verstarb Sezgin Dağ im Taxi.
Auf Nachfrage von 20 Minuten bestätigt das SEM schliesslich, dass es sich beim «Spital-Transport» um ein Taxi gehandelt hatte. Doch die Vorwürfe der Angehörigen weist die Bundesbehörde zurück; ergänzend teilt das SEM mit: «Analog einer in der Schweiz wohnhaften Person wird situativ entschieden, ob ein Taxi oder die Ambulanz gerufen wird. In diesem Fall wurde aufgrund der Vorgeschichte (wurde Stunden zuvor im Spital abgeklärt und aufgrund keiner auffälligen Ereignisse wieder ins BAZ zurückgeschickt) die Situation gleich eingeschätzt wie am Nachmittag und darum keine Ambulanz gerufen.»
Staatsanwaltschaft untersucht den Todesfall
Anschliessend seien die Vorkommnisse untersucht worden. Ebenso werde geprüft, inwiefern Verbesserungsmassnahmen angezeigt und möglich sind. «Der Vorfall wurde dokumentiert und an die zuständigen Stellen im SEM rapportiert. Es wurde festgestellt, dass sich das Personal korrekt verhalten hat», teilt die Sprecherin mit. Man bedaure den Tod und spreche den Angehörigen Mitgefühl aus.
Während der Fall beim SEM abgeschlossen zu sein scheint, liegt bei der Staatsanwaltschaft des Kantons Bern eine Akte in Sachen «Sezgin Dağ» noch offen. Die Sache wird derzeit als sogenannter ausserordentlicher Todesfall (agT) behandelt. «Die Staatsanwaltschaft Berner Jura-Seeland hat eine Legalinspektion des Leichnams durch das Rechtsmedizinische Institut (RMI) angeordnet, um festzustellen, was genau zu dessen Tod geführt hat», teilt Markus Scholl, der stellvertretende Informationschef der Justizbehörde, mit. Die Resultate der Autopsie und zusätzlichen Untersuchungen liegen noch nicht vor. «Es wird aktuell gegen niemanden ermittelt», so Scholl.
(20min.ch)