Schluss mit dem Verschwindenlassen unter Haft in der Türkei!
Wir wollen Gökhan Güneş lebend zurück!
Vorinformation:
Gökhan Güneş wurde am 20. Januar 2021 mittags vor seinem Arbeitsplatz in Istanbul von türkischen Staatskräften entführt und wird seitdem vermisst. Von Seiten der Behörden gibt es nur Schweigen. Wir befürchten, dass er unter Haft verschwunden gelassen wird. Mit dieser Mappe möchten wir Sie über das Thema informieren. Wir sind uns sicher, dass Sie Maßnahmen ergreifen werden, um das Leben einer Person zu retten.
AvEG-Kon
Konföderation der unterdrückten Migrant:innen in Europa
Inhalt:
- Wir wollen Gökhan Güneş lebend zurück!
- Aufruf von der Familie von Gökhan Güneş
- Wer ist Gökhan Güneş?
- Die Politik des Verschwindenlassens unter Haft in der Türkei
- Samstagmütter: Wir werden mit seiner Familie kämpfen, bis Gökhan Güneş gefunden wird.
- ANHÄNGE:
- Mail-Adressen und Kontaktdaten türkischer Behörden zur Bekundung von Protestschreiben:
- Erklärungen und Berichte von Protestaktionen für weitere Informationen:
Der türkische Staat versucht Gökhan Günes unter Haft verschwinden zu lassen!
Wir wollen Gökhan Günes lebend zurück!
Gökhan Günes ist ein 23-jähriger junger Arbeiter. Seit dem 20. Januar 2021 wird nichts mehr von ihm gehört. Auf Kameraaufnahmen ist zu sehen, wie Güneş in ein Zivilfahrzeug gezwungen und von 5-6 Personen entführt wird, nachdem er vor seinem Arbeitsplatz in Başakşehir, Istanbul, aus dem Bus gestiegen war. Die Tatsache, dass die Strafverfolgungsbehörden auf alle Anträge und Versuche seiner Familie, Anwälte und Menschenrechtsinstitutionen mit “Wir haben ihn nicht” reagiert haben, zeigt, dass der türkische Staat die Politik des Verschwindenlassens aus den neunziger Jahren systematisch wieder auf die Tagesordnung gesetzt hat.
Güneş traf sich zuletzt mit seiner Verlobten am 20. Januar um 12.17 Uhr. Er verließ das Krankenhaus und ging zur Arbeit. In der Zwischenzeit rief er seinen Arbeitskollegen an und sagte, er sei in den Bus gestiegen und werde es rechtzeitig zum Mittagessen schaffen.
Aber er konnte nicht zur Arbeit gehen. Als er nicht zur Arbeit ging, rief sein Freund seine Familie an und fragte nach Gökhan. Seitdem konnte Gökhans Telefon nicht mehr erreicht werden.
Seine Familie wartete mehrere Stunden, um etwas von ihm zu hören. Da es keine Neuigkeiten von Gökhan gab, ging die Familie zunächst zu der Polizeistation in İkitelli. Aber die Polizei kümmerte sich nicht um die Familie.
Daraufhin gingen sie am 21. Januar zur Staatsanwaltschaft. Sie wollten, dass die Kamerabilder untersucht und Gökhan gefunden wird. Die Staatsanwaltschaft setzte jedoch auch die Haltung der Polizei fort, und ignorierten sie.
Das Videomaterial, auf dem eindeutig zu sehen ist, wie Gökhan in ein Fahrzeug gezwungen und von 5-6 Personen entführt wird, hat seine Familie und seine Genoss:innen mit eigenen Mitteln gefunden. Die Kameraaufnahmen zeigen deutlich, dass er entführt wurde.
Gökhans Anwälte meldeten sich bei der Anti-Terror-Abteilung der Istanbuler Polizeibehörde. Die Polizeibehörde gab jedoch nur Antworten wie “Hier ist er nicht” und “Es gibt keinen Haftbefehl gegen ihn”.
Das von der Familie mit eigenen Bemühungen erlangten Kameramaterial wurde von der Nachrichtenagentur ETHA und vielen Presseorganisationen veröffentlicht.
Seit dem 21. Januar sorgen sich Gökhans Familie, Anwälte, Menschenrechtsinstitutionen, die Demokratische Partei der Völker (HDP) und die Sozialistische Partei der Unterdrückten (ESP) um sein Leben und fordern seine sofortige Freilassung.
Auf der İkitelli-Polizeistation und der Kanarya-Polizeistation, die seine Familie jeden Tag besuchte, wurde der Familie gestanden, dass Gökhan möglicherweise von Polizisten der Anti-Terror-Einheit in Gewahrsam genommen wurde. Die Anti-Terror-Einheit gibt jedoch nicht zu, dass Gökhan Güneş in Haft ist. All diese Entwicklungen zeigen, dass Anit-Terror-Polizisten Gökhan entführt und festgenommen haben und ihn in Haft verlieren wollten.
Seine Familie, Freunde, Menschenrechtsverteidiger und fortschrittliche Institutionen sind seit dem 22. Januar täglich in vielen Städten von Istanbul bis Izmir, von Adana bis Dersim auf den Straßen und fordern die Freilassung von Gökhan Güneş. Diejenigen, die nach Gökhans Aufenthaltsort auf der Straße fragen, einschließlich seiner Familie, werden jedoch von der Polizei angegriffen und inhaftiert.
Mit dem Aufruf von AvEG-Kon wurden in Europa in vielen Ländern und Städten Protestaktionen durchgeführt. Wir fordern alle fortschrittlichen Institutionen und Einzelpersonen auf, Maßnahmen zu ergreifen, um den Angriff des türkischen Staates abzuwehren und Gökhan Güneş zu finden.
Was können Sie tun?
Der Angriff des Verschwindenlassens in Gewahrsam ist ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit.
Jede Institution und jede Einzelperson kann etwas dagegen tun, um den Versuch des türkischen Staates, der einen jungen Arbeiter bei Tageslicht entführt hat und ihn unter Haft Verschwinden lassen will, zu verhindern.
Zum Beispiel:
– Sie können die türkischen Behörden (Präsident, Innenministerium, Außenministerium, Justizministerium, Istanbuler Gouvernement, Istanbuler Polizeibehörde, türkische Botschaften in Europäischen Ländern) anrufen oder eine E-Mail senden, um die Freilassung von Gökhan Güneş zu fordern.
– Sie können Presseerklärungen veröffentlichen, in denen Sie gegen den türkischen Staat und gegen das Verschwinden von Gökhan Güneş protestieren.
– Sie können den Fall auf die Tagesordnung des Parlaments setzen, indem Diskussionen über das Verschwindenlassen in Gewahrsam in der Türkei geführt werden, Pressekonferenzen oder Aufrufe an den türkischen Staat veröffentlicht werden.
– Sie können uns unterstützen, indem Sie an den Protestaktionen auf der Straße teilnehmen.
Über diesen Angriff, der das Recht auf Leben nicht anerkennt und Familie und Freunden großes Leid zufügt, sollte nicht geschwiegen werden. Schweigen heißt zustimmen!
Anruf von Gökhan Güneşs Familie
Gökhans Familie erklärte zu dem Fall per Sprachaufnahme folgendes:
„Wir wissen, dass der Staat Gökhan entführt hat. Unsere Forderungen ist die Freilassung von Gökhan so schnell wie möglich. Wir wollen auch nichts anderes. Sie sollen offiziell bekannt geben, dass er festgenommen wurde oder Sie sollen Gökhan frei lassen. Wir sehr besorgt sind, dass Gökhan etwas zustoßen wird. ”
In ihrer Pressekonferenz und in den Presseerklärungen fordert die Familie, alle, die die Menschenrechte unterstützen und das Recht auf Leben verteidigen wollen dazu auf, Maßnahmen zu ergreifen, um das Verschwinden von Gökhan in Gewahrsam zu verhindern.
Wer ist Gökhan Güneş?
Gökhan Güneş ist 23 Jahre alt. Er wurde im Dorf Kızıldere im Bezirk Almus in Tokat als Kind einer alevitischen Familie geboren. Er hat eine sozialistische Identität und wurde mehrmals wegen politischer Aktivitäten in der ESP festgenommen und bedroht.
Gökhan wurde vor zwei Jahren festgenommen und seine Familie wurde erst ein Tag danach informiert. Mit anderen Worten, solche Versuche des Staates gab es schon vorher.
Es gibt auch laufende Verfahren gegen Güneş, der für eine Weile inhaftiert war.
Güneş lebte im Istanbuler Bezirk İkitelli und arbeitete als Elektroarbeiter bei Baufirma Uzun İnşaat im Bezirk Başakşehir.
Die Vernichtungspolitik des türkischen Staates: Verschwindenlassen unter Haft
Das Verschwindenlassens unter Haft ist eine Methode, die hauptsächlich von faschistischen und totalitären Regimen angewendet wird, um die soziale Opposition zu unterdrücken und zu zerschlagen.
Die Tradition dieser Politik in der Türkei führt bis zum Völkermord an den Armeniern im Jahr 1915 zurück. Das Verschwindenlassen unter Haft als Vernichtungsmethode, wurde in Zeiten zunehmenden sozialen Kämpfe stärker eingesetzt. Anfang der neunziger Jahre recht umfassend und systematisch umgesetzt.
In den 1990er Jahren wurden Tausende von Menschen in der Türkei und Kurdistan entführt und unter Haft ermordet, deren Schicksale immer noch nicht geklärt sind.
Nach seiner Entführung am 21. März 1995 wegen seiner politischen Identität starteten die Familie und die Freund:innen von Hasan Ocak mit der Unterstützung des Menschenrechtsvereins (IHD) eine Kampagne.
Aktivist:innen der Kampagne fanden Hasan Ocaks Leiche nach einer 55-tägigen Suche und fanden raus, dass er unter Folter ermordet wurde. Der Kampf gegen das Verschwindenlassen wurde nach der Kampagne noch weitergeführt und die Bewegung der Samstagsmütter wurde geschaffen.
Die Aktivist:innen der Hasan Ocak-Kampagne organisierten ab dem 27. Mai 1995 jeden Samstag vor der Galatasaray Hochschule in Istanbul Sitzaktionen, um das Schicksal aller Verschwundenen aufzudecken, nachdem der leblose Körper von Hasan Ocak gefunden wurde. So sorgte die Hasan Ocak-Kampagne für Kontinuität und der Kampf um das organisierte Verschwindenlassen wurde eingeleitet.
Mit Unterstützung der Demokratischen Kampfplattform (DMP), der Vereinigung der werktätigen Frauen (EKB), des Menschenrechtsverbandes, des Föderation der migrantischen Arbeiter:innen in Deutschland (AGIF) und vieler anderer Initiativen, die während der Hasan Ocak-Kampagne gegründet wurden, fand am 17. und 19. Mai 1996 in Istanbul der 1. Internationale Kongress gegen das Verschwindenlassen unter Haft unter dem Motto “Schweig nicht!” statt. Der Kongress, der trotz des Verbots des türkischen Staates erfolgreich abgehalten wurde, erkannte die Notwendigkeit einer internationalen Organisation und gründete ICAD (Internationales Komitee gegen das Verschwindenlassen).
Als die Angehörigen der Verschwundenen in der Presse als Samstagsmütter bekannt wurden, benutzten sie diesen Namen weiter.
Mit dem entschlossenen Kampf der Samstagsmütter und dem Kampf von ICAD auf internationaler Ebene ist der Angriff des türkischen Staates (Verschwindenlassen unter Haft) erheblich zurückgegangen.
Der vom Kampf der Samstagsmütter gestörte Staat griff ab August 1998 jede Woche die Angehörigen der Verschwundenen mit Schlagstöcken und Tränengas an und verhaftete sie. Die Samstagsmütter, die am 13. März 1999 eine Pause einlegen mussten, nahmen am 31. Januar 2009 ihre Sitzproteste wieder auf.
Der Staat, der den Sitzprotest der Mütter am Samstag in der 700. Woche verboten hatte, griff den Protest brutal an und verhaftete dutzende Teilenhmer:innen. Trotz wochenlanger Angriffe und des Verbotes des Galatsaray-Platzes für die Angehörigen der Verschwundenen, setzen die Samstagsmütter, die ihre Aktionen vor der Istanbuler Zweigstelle der Menschenrechtsvereinigung (İDH) fortsetzen, ihre Aktionen während der Pandemie fort.
Samstagmütter: Wir werden mit seiner Familie kämpfen, bis Gökhan Güneş gefunden wird
In ihrer Erklärung kündigten die Samstagsmütter an, dass sie mit seiner Familie kämpfen werden, bis Gökhan Güneş gefunden wird. Mit der Begründung, dass Entführungen und nicht registrierte Inhaftierungen der erste Schritt zur Durchsetzung des Verschwindens sind, betonten die Mütter am Samstag, dass sie seit 25 Jahren kämpfen, damit niemand wieder unter Haft verschwunden gelassen wird. Die Angehörigen der Verschwundenen, die sich an den Staat wandten, möchten, dass das Schicksal von Gökhan Güneş ausgedeckt wird.
Die Angehörigen der Verschwundenen, die nach dem Schicksal ihrer Angehörigen fragten, die jahrelang unter Haft verschwunden waren und für Gerechtigkeit kämpften, erklärten, dass sie sich genauso fühlten wie die Familie Güneş. Die Samstagsmütter betonten, dass der Staat den Aufenthaltsort von Gökhan Güneş unverzüglich erklären und das Recht auf Leben schützen sollte. Sie versprechen, dass sie auf der Seite der Familie Güneş bleiben werden, bis Gökhan Güneş gefunden wird.
ANHÄNGE:
- Mail-Adressen und Kontaktdaten türkischer Behörden zur Bekundung von Protestschreiben:
Innenministerium:
Tel.: +90 (312) 422 40 00
Vize-Minister Sayın Muhterem İNCE
bakanyrd.mince@icisleri.gov.tr
Vize-Minister Sayın Mehmet ERSOY
bakanyrd.mersoy@icisleri.gov.tr
Vize-Minister Sayın İsmail ÇATAKLI
bakanyrd.icatakli@icisleri.gov.tr
Vize-Minister Sayın Tayyip Sabri ERDİL
bakanyrd.tserdil@icisleri.gov.tr
Justizministerium:
Tel. : 90 (0312) 417 77 70
Fax : 90 (0312) 419 33 70
Mail : info@adalet.gov.tr
Außenministerium:
Tel.: (312) 292 10 00
Gouverneur von Istanbul:
Mail: istanbul@icisleri.gov.tr
Tel.: +90 212 455 59 00
Fax: +90 212 512 20 86
Polizeipräsidium von Istanbul:
Mail : istanbul155@egm.gov.tr
Tel. : 0212 635 00 00 – 69
Fax : 0212 636 14 44
Botschaft in Berlin:
E-Mail: botschaft.berlin@mfa.gov.tr
Telefon: +49 30 275 850
Fax: +49 30 27590915
Botschaft in London:
Mail: embassy.london@mfa.gov.tr
Tel.: +44 20 73 93 02 02
Fax: +44 20 73 93 00 66, +44 20 73 93 92 13
Botschaft in Paris:
Mail: ambassade.paris@mfa.gov.tr
Tel.: +33 1 53 92 71 11 (3 lignes)
Fax: +33 1 45 20 41 91
Botschaft in Amsterdam:
Mail: consulate.amsterdam@mfa.gov.tr
Tel.: +31 20 3050333
Botschaft in Brüssel:
Mail: embassy.brussels@mfa.gov.tr
Tel.: +32 2 5061120 /+32 2 5134095
Fax: +32 2 5140748
Botschaft in Bern:
Mail: botschaft.bern@mfa.gov.tr
Tel.: +41 31 359 70 70 (Büyükelçilik-Konsolosluk)
Fax: +41 31 352 88 19
Botschaft in Wien:
Mail: botschaft.wien@mfa.gov.tr
Tel: +431 505 73 38
Fax: +43 1 505 36 60
- Links von Berichten und erste Bilder von Aktionen für Gökhan Günes
https://anfdeutsch.com/aktuelles/linker-aktivist-in-istanbul-entfuhrt-wo-ist-gokhan-gunes-24062
https://anfdeutsch.com/aktuelles/istanbul-festnahmen-bei-kundgebung-fur-gokhan-gunes-24077
https://barrikade.info/article/4158
https://perspektive-online.net/2021/01/die-tuerkische-polizei-hat-goekhan-guenes-entfuehrt/
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http://etha15.com/haberdetay/gokhanin-ailesi-ve-arkadaslari-ikitelli-karakoluna-yurudu-135259
PDF Gökhan-Günes_Dosya_DE (1)