Das Verschwindenlassen unter Haft, das die Herrschenden gegen die gesellschaftliche Opposition anwenden, um Ihre Herrschaft aufrecht zu halten, wird in vielen Ländern auch aktuell noch angewandt. Alle Oppositionellen, die gegen herrschende faschistische, totalitäre Staaten und deren Ausbeutungs- und Unterdrückungssystem sind, vor allem revolutionären und fortschrittliche Kräfte, sind Ziel dieses Angriffs.
Jedes Jahr werden Tausende von Menschen durch diese schmutzige Methode verschwunden gelassen. Die Menschen werden von Sicherheitskräften oder mit denen in Verbindung stehenden Paramilitärbanden entführt, gefoltert, ermordet und die Leiche irgendwo heimlich begraben oder wie in Argentinien von Hubschraubern in den Ozean geworfen.
Die Staaten, die diese Methode anwenden, lassen Menschen, die aktiv gegen das Unterdrückungs- und Ausbeutungssystem kämpfen, unter Haft verschwinden, um in der Gesellschaft Beunruhigung, Angst und Unsicherheit zu schaffen und so jegliche soziale Opposition zum Schweigen zu bringen. ArbeiterInnen, GewerkschafterInnen, StudentInnen, JournalistInnen, SchriftstellerInnen, JuristInnen, RevolutionärInnen, kurz gesagt, Menschen aus allen Gesellschaftsschichten, können Ziel dieses Angriffs werden.
Vom Hitler-Faschismus über den von den USA unterstützten Diktaturen in Lateinamerika, von der Türkei bis hin zu Sri Lanka, von Pakistan bis hin zum Irak, von Syrien bis hin zu Kolumbien, von Mexiko bis Belutschistan und Ägypten bis Marokko, so wurde in vielen Ländern der Welt diese schmutzige Methode angewandt und wird immer noch von faschistischen und reaktionären Diktaturen praktiziert.
Einige Beispiele zu diesen Praktiken:
Mexiko: In Mexiko sind alleine im Jahr 2020 über 12.000 Menschen von Sicherheitskräften oder den Banden, die mit Sicherheitskräften kooperieren, entführt und ermordet worden. Etwa die Hälfte von ihnen konnte tot oder lebendig gefunden werden. Von der anderen Hälfte fehlt bis heute jede Spur.
Während 1/3 davon Frauen sind, ist auch zu bemerken, dass Tausende von Verschwundengelassenen Geflüchtete sind, die sich Richtung Nordamerika bewegten.
Von den 43 StudentInnen aus Ayotzinapa, die am 27. September 2014 entführt und verschwunden gelassen wurden, konnten bisher nur die Leichen von zwei Studenten gefunden werden. Seit 2018 wurden 1.339 Massengräber in 751 Orten gefunden werden. Jedoch konnten nur 35 % der Leichen, die in Massengräbern gefunden worden waren, identifiziert werden.
El Salvador: El Salvador ist auch ein Land, wo diese Methode stark Anwendung findet. Im Jahr 2020 sind über 1500 Menschen und von Januar bis März 2021 über 300 Menschen entführt worden. Während 40 % davon lebendig zurück kamen, wurden von 4 % die Leichen gefunden. Von den Restlichen 55 % fehlt jeder Spur.
Kolumbien: Nach den Informationen des Nationalen Zentrums für Historisches Gedächtnis in Kolumbien (CNMH) sind über 80.000 Menschen, darunter tausende GewerkschafterInnen und ArbeiterführerInnen, bisher entführt und verschwinden gelassen. Täter sind entweder Sicherheitskräfte oder die mit ihnen kooperierenden paramilitären Banden.
Laut Webseite Amerika21 sind seit dem 28. April 2021, seitdem ArbeiterInnen und die Bevölkerung gegen neue Steuergesetze unter anderem mit einem Generalstreik protestieren, über 40 Menschen durch Sicherheitskräfte ermordet und über 400 Menschen vermisst.
Bisher ist bekannt, dass alleine in Latein Amerika über 200.000 Menschen verwunden gelassen wurden. Während die von den USA unterstützen faschistischen Militärdiktaturen in den 70´er und 80´er Jahren wurden linke Oppositionelle von den Geheimdiensten dieser Länder unter dem Namen Operation Condor massenhaft verschwunden gelassen. Diese Angriffsmethode wird in Lateinamerika auch heute noch angewandt.
Von Plaza de Mayo bis zu den Samstagsmüttern – der Kampf der Angehörigen der Opfer geht weiter!
In jenen Ländern, in denen die Familien der Verschwundenen sowie fortschrittliche und revolutionäre Kräfte im gemeinsamen Kampf gegen diesen Angriff der Staaten die gesellschaftliche Opposition gestärkt und diese Politik entblößt haben, wurde das Verschwindenlassen enorm zurückgedrängt. Als Vorreiterinnen gelten hier die Plaza de Mayo Mütter aus Argentinien mit ihrem jahrzehntelangen Kampf sowie die Samstagsmütter in der Türkei, die seit 1995 einem entschlossenen Kampf führen.
Die Aktionen der Samstagsmütter, die ihren Widerstand in der Türkei am 27. Mai 1995 vor dem Galatasaray-Gymnasium in Istanbul als Sitzaktion begannen, dauern trotz ständiger Angriffe des faschistischen Erdogan-Regimes an. Jede Woche fordern sie Rechenschaft für die Verschwundenen.
Seit den Angriffen und Festnahmen der Samstagsmütter am 25. August 2018, wo die 700. Sitzaktion realisiert wurde, wird durch staatlichen Terror verhindert, dass die Mütter zum Galatasaray-Platz gehen können. Trotz der Polizeiblockaden und Drohungen haben die Samstagsmütter jeden Samstag ihre Aktion vor dem Menschenrechtsverein (IHD) fortgesetzt. Während der Pandemiezeit setzen die Samstagsmütter ihre Aktionen online fort, in dem sie Woche für Woche nach ihren Verschwundengelassenen fragen.
Der türkische Staat greift den gerechten Kampf der gesellschaftlichen Opposition an, um sie zum Schweigen zu bringen. Zehntausende Demokraten, fortschrittliche, revolutionäre Gegner und Gegnerinnen des Faschismus, Intellektuelle, SchriftstellerInnen, JournalistInnen, AkademikerInnen und StudentInnen wurden für ihre politischen Aktivitäten verhaftet. Die faschistische Erdogan-Diktatur, die das kurdische Volk jeden Tag bombardiert und versucht, ihre Besatzung in Rojava und Südkurdistan auszuweiten, setzt das Verschwindenlassen als eine Vernichtungsmethode fort.
Der türkische Staat hat ein Verfahren gegen die Samstagsmütter eingeleitet, um sie zum Schweigen zu bringen und das staatliche Verbrechen gegen die Menschheit zu verschleiern. Der erste Prozess in diesem Verfahren gegen 46 Angehörige von Verschwundengelassenen fand bereits am 25. März 2021 statt und das Verfahren wurde auf den 12. Juli verschoben.
Nicht die Samstagsmütter, sondern der türkische Staat muss verurteilt werden. Die Samstagsmütter, die seit mehr als 25 Jahren unter jeglichen Bedingungen nach ihren Angehörigen suchen, vertreten die Menschenwürde. Mit einer Anklage gegen sie hat der türkische Staat sich erneut schuldig gemacht.
Gülistan Doku, eine Studentin an der Munzur Universität in Dersim, ist seit dem 5. Januar 2020 verschwunden.
Hurmüz Diril (71 Jahre alt) aus dem Dorf Kovankaya im Bezirk Beytüşşebap ist seit dem 11. Januar 2020 verschwunden.
Am 20. Januar 2021 wurde Gökhan Güneş, Mitglied der Sozialistischen Partei der Unterdrückten (ESP), vor dem Betrieb, wo er arbeitet, von Sicherheitskräften in Zivil entführt. Aufgrund schneller und sich ausbreitender Aktionen seiner Familie, GenossInnen, demokratischer Institutionen und Menschen, konnte in kurzer Zeit eine Öffentlichkeit geschaffen werden. Durch diesen öffentlichen Druck wurde Gökhan Güneş am 6. Tag aus den Händen des Staates freigelassen
Zum Anlass der Internationalen Wochen gegen das Verschwindenlassen unter Haft vom 17.-31. Mai ruft ICAD die internationale Öffentlichkeit dazu auf, sich für die Aufklärung der Verschwundenen unter Haft sowie die Verurteilung der Verantwortlichen einzusetzen und den Kampf der Angehörigen von Verschwundengelassenen zu unterstützen.
Wir werden die unter Haft Verschwundenen nicht vergessen, wir verlangen Rechenschaft!
ICAD
Internationales Büro
15 Mai 2021